Hi, there!
Darf ich mich und meine Buchserie vorstellen?
Das bin ich, Jutta Ploessner, die Autorin und Gründerin des Verlags. Ich sitze hier am
Arrow Lake, an dem die Geschichte spielt.
Welche Geschichte, wollt ihr wissen?
Okay, dann lasst sie euch gleich einmal erzählen. Setzt euch doch zu mir
ins Gras. Oder auf den Steinbrocken. Oder auf die Bank dort drüben. Ach,
die ist gar nicht im Bild … Na, ihr werdet schon ein Plätzchen finden.
Also, es handelt sich um die Geschichte einer deutschen Auswandererfamilie,
die hier im Süden British Columbias eine neue Heimat gefunden und dabei
allerlei Abenteuer erlebt hat. Es ist eine Familienserie mit mehreren Bänden ab 12 Jahre.
Wo ich hier sitze ist der Rastplatz von Eagle Creek. Manchmal verirren sich
Fremde hierher wie die Familie Hartmann und stellen ihr Wohnmobil ab oder schlagen
ihr Zelt auf. Hauptsächlich aber ist es der Hang-out der Kids von Eagle
Creek. Dieser Ort heißt in Wirklichkeit Edgewood und ist nur halb so groß
wie das Eagle Creek in der Abenteuerserie. Auch die Personen und die Handlung
sind zum größten Teil frei erfunden. Doch es könnte sich alles
ganz genauso zugetragen haben ...
Fangen wir mit der Vorstellung der Hauptpersonen an. Die eigentliche Heldin
der Serie ist die fünfzehnjährige Andrea, aber auch die anderen Familienmitglieder
kommen zu Wort. Da sind also die Eltern, Renate und Richard Hartmann, die sich
entschlossen hatten, mit ihren vier Kindern aus dem fränkischen Schwabach
in die kanadischen West Kootenays auszuwandern. Die zehnjährige Nicole,
das Nesthäkchen der Familie ist die Einzige, die von dieser Idee nie so
recht begeistert war. Sie hat oft Heimweh nach Deutschland, nach ihren Freundinnen
und den Großeltern. Sie ist auch ein kleiner Angsthase und fürchtet
sich vor Bären, Gewittern und den Kojoten, die nachts manchmal schauerlich
heulen. Michael, mit seinen 18 Jahren der Älteste, packt überall tüchtig
mit an. Auch Holger, Andreas Zwillingsbruder, der nach einem schrecklichen Unfall
gelähmt ist und im Rollstuhl sitzen muss, hilft beim Aufbau der neuen Farm
mit, so gut er kann.
Hier in Eagle Creek wollen die Hartmanns sich eine neue Existenz schaffen.
Vater Richard wird als Geologe für eine Minengesellschaft arbeiten, Mutter
Renate als Krankenschwester in der kleinen Rot-Kreuz-Station von Eagle Creek.
Im Mai 1992 ist die Familie durch Zufall hier am Arrow Lake gelandet. Die Geschichte
beginnt zwei Monate später, als sie gerade beim Renovieren des alten Farmhauses
sind. Im Herbst werden die Kinder in Eagle Creek zur Schule gehen. Doch bis
dahin werden sie noch viel Neues erleben, Gefahren meistern, nette Leute und
auch zwielichtige Gestalten kennenlernen, etliche Abenteuer bestehen und vor
allem gegen die Waldbrände ankämpfen, die sich in der Hitze und Trockenheit
rasch ausbreiten und ihre neue Farm bedrohen.
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Das ist das Cover des ersten Bandes
(clickt auf den Umschlag, um ihn zu vergrößern)
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192 Seiten
Illustrationen und Umschlaggestaltung
by Betty L. Fahlman
EUR 13,80
ISBN # 3-89811-914-9
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Und hier könnt ihr schon die ersten Kapitel des ersten Bandes der Abenteuerserie lesen.
1 Feuer über dem See
Andrea ließ den Hammer fallen
und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Guys, wenn ihr nicht wollt,
dass ich ohnmächtig vom Dach falle, muss ich mal ‘ne Pause einlegen",
sagte sie. „Diese irre Hitze bringt mich noch um!" Sie schwang die Beine
über die Dachkante und kletterte die Leiter hinunter.
Die ‘Guys‘ waren ihre beiden Brüder Michael und Holger. Während die Eltern mit Nicole, ihrer kleinen Schwester,
zum Einkaufen ins Okanagan Valley gefahren waren, hatten Michael und Andrea
sich erboten, das Dach des Hühnerstalls zu reparieren. Es hatte etliche
Löcher, durch die es hineinregnete. Den Hühnern gefiel das nicht.
Sie mochten nicht nass werden. Wenn es regnete, hockten sie in einer trockenen
Ecke zusammen und gackerten verdrossen vor sich hin. Mama war der Meinung,
dass nur glückliche Hühner viele schöne große Eier legten,
also musste man sie bei Laune halten.
„Wo willst du hin?" rief Michael
vom Dach herunter. Holger, Andreas Zwillingsbruder, musste im Rollstuhl sitzen
und konnte bei solchen Arbeiten nur zuschauen.
„Runter zum Dock", war Andreas
Antwort. „Bei dieser Affenhitze kann man es ja nur noch im Wasser aushalten."
Damit lief sie auch schon den Pfad zum Seeufer hinunter.
"Hey, pass auf, dass dich kein
Bär frisst!" rief Michael ihr nach.
„Und dass dich nicht der Hitzschlag
trifft!" tönte Holgers Stimme hinterher. Trotz des Gelächters
der beiden wusste Andrea, dass ihre Brüder sich nicht lustig über
sie machten, sondern ehrlich besorgt um sie waren. Aber das war Quatsch.
„Quatsch!" rief sie deshalb auch
zurück, ohne sich dabei umzudrehen.
Mit ihrem Handtuch über der Schulter
und der Wasserflasche in der Hand lief sie weiter. Nein, vor Bären hatte
sie keine Angst, zumindest keine große. Sie hatte sich eingehend darüber
informiert, wie man sich zu verhalten hatte, wenn man unvermutet einem Bären
in die Arme lief. Sie traute sich auch zu, in solch einem Fall die Ruhe zu
bewahren und die Verhaltensmaßregeln zu befolgen.
Respektiere die wilden Tiere, dann
respektieren sie auch dich, hatte der Game Warden, der Wildhüter, ihr
eingetrichtert. Siehst du dich plötzlich einem Bären gegenüber,
ziehe dich respektvoll zurück. Ohne zu rennen, ohne zu schreien. Das
ist wichtig. Rennst du schreiend davon, reizt das den Bären und er rennt dir hinterher. Dass er dich erwischt, ist klar. Niemand
schafft es, einem Bären davonzulaufen. Denn auch der fetteste und tollpatschigste
Bär ist schneller als der schnellste Mensch. Und was er dann mit dir
macht, wenn er dich erwischt hat, ist ebenfalls klar. Hamburger macht der
aus dir, junge Lady. Hamburger!
Mit einem leisen Schaudern dachte Andrea
an die Worte des Game Warden. Vorsichtig schaute sie sich nach allen Seiten
um. Die Wiese, die zum See hin leicht abfiel, war gut überschaubar. Erleichtert
atmete sie auf, als sie nirgendwo einen verdächtigen dunklen Punkt erkennen
konnte. Nein, es war kein Bär in Sicht! Es war auch ziemlich unwahrscheinlich,
dass ihr hier auf diesem Pfad, so nahe am Haus, einer begegnete. Aber man
konnte nie wissen. Besser, man war vorsichtig.
Dass sie einem Hitzschlag erlag, konnte
bei den mörderischen Temperaturen, die schon seit Wochen hier herrschten,
dagegen schon eher passieren. Beinahe jeden Tag hatten sie über vierzig
Grad, und es war immer noch keine Wetteränderung in Aussicht. Sollte
das den ganzen Sommer so weitergehen? Puh, dann konnten sie sich ja noch auf
etwas gefasst machen!
Gut, dass ich meine Sandalen anhabe,
dachte Andrea bei sich. Auf dem heissen steinigen Pfad hätte ich mir
sonst glatt die Füsse verbrannt!
Über den halbverdorrten Wiesen
und Feldern flimmerte die Hitze, in der Luft hing ein intensiver Geruch von
wilden Kräutern und verbranntem Holz. Die Rauchschwaden der zahllosen
Waldbrände, die durch das heisse trockene Wetter – hauptsächlich
durch Blitzschlag bei regenlosen Gewittern – entstanden waren, konnte man
deutlich sehen und riechen. Besonders das riesige Feuer im Süden frass
sich mit beängstigender Geschwindigkeit näher. Wie lange würde
es noch dauern, bis die Flammen die Farmen erreicht hatten, die Weiden, die
Scheunen, die Wohnhäuser?
Tapfer verdrängte Andrea die Angst,
die sich in ihrem Herzen ausbreiten wollte. Sie war immer ein mutiges Mädchen
gewesen. Auch hier, in der kanadischen Wildnis, würde sie nicht vor Gefahren
zurückschrecken, sondern mit aller Kraft gegen sie ankämpfen!
Inzwischen hatte sie das Seeufer erreicht, wo ihr Grundstück an den Arrow Lake grenzte. Hier war eine
idyllische kleine Bucht miteinem verwitterten Dock, das als Sprungbrett und
Bootsanlegestelle diente. Ein Stück weiter unten lag ein alter Ruderkahn
umgestülpt im Gras. Er musste schon seit ewigen Zeiten hier liegen und
sah ebenso verwittert aus wie das alte Dock. Die Farbe war längst abgeblättert,
die Buchstaben am Bug nicht mehr zu entziffern. Möglich, dass es der
Name ´MacLeod´ gewesen war. So hiessen die Leute, von denen sie die Farm gekauft
hatten. Schade, dass keine Paddel mehr vorhanden waren. Andrea hätte
es gereizt, ein bisschen auf dem See herumzupaddeln. Doch das hatten ihre
Eltern ohnehin verboten, mit allem Nachdruck sogar. Wegen der heftigen Winde
nämlich, die urplötzlich aufkommen konnten und den starken Strömungen
in der Mitte des Sees war der Arrow Lake für Ruderboote und Kanus viel
zu gefährlich. Deshalb sah man auch hauptsächlich nur Motorboote
und Hausboote auf dem Wasser. Zum Rudern und Kanufahren waren die kleineren
Waldseen, von denen es hier in der Umgebung jede Menge gab, viel besser geeignet.
Andrea setzte sich aufs Dock,
trank einen grossen Schluck aus der Trinkflasche und ließ die braungebrannten
Beine im Wasser baumeln. Gedankenverloren schaute sie auf den See hinaus.
Im Moment spendete die grosse Weide zur Rechten noch ausreichend Schatten,
doch wenn die Sonne um die Ecke herumkam, würde es zu heiss werden, um
länger hier sitzen zu bleiben.
Dann war es oben im Wald am kühlsten.
Zum neuen Besitz der Hartmanns gehörte neben dem Farmland auch ein Stück
herrlicher Zedernwald. Dieser wiederum grenzte an ein ausgedehntes Waldgebiet,
das dem kanadischen Staat beziehungsweise der Krone von England gehörte.
Deshalb nannte man es auch Crown-Land. Dieses Gebiet war eine zum Teil undurchdringliche
Wildnis, mit schroffen Felsen und Höhlen, in denen Kojoten und Pumas
hausten, und in denen sicher auch so mancher Bär seinen Winterschlaf
hielt. Andrea fand diesen Wald etwas unheimlich, deshalb mochte sie dort auch
nicht gern allein herumwandern. Einmal, als sie sich dort in die Nähe
gewagt hatte, hätte sie vor Schreck beinahe einen Herzschlag gekriegt.
Sie hatte nämlich einen der großen schwarzverkohlten Baumstümpfe
dort, Überbleibsel eines riesigen Waldbrandes, der in 20er Jahren hier
gewütet hatte, zuerst für einen Bären gehalten. Ganz starr
vor Angst hatte sie dagestanden und sich krampfhaft daran zu erinnern versucht,
was sie über Begegnungen mit Bären und anderen wilden Tieren gelernt
hatte. Im ersten Moment war alles wie weggeblasen gewesen. Doch dann hatte
sie angefangen, sich Schritt für Schritt zurückzuziehen und den
´Bären´ dabei im Auge zu behalten. Als dieser sich so ganz und gar nicht
bewegt hatte, auch dann nicht, als sich unter lauten Kreischen eine Krähe
auf seinem 'Kopf' niedergelassen hatte, war sie stutzig geworden und hatte
sich den 'Bären' etwas näher angesehen. Mann, war sie erleichtert
gewesen, als dieser sich als harmloser Baumstumpf entpuppt hatte!
Dem gleichen Irrtum war sie schon
einmal aufgesessen, als sie mit ihrer Familie eine Erkundigungsfahrt in die
Umgebung unternommen hatte. Andrea musste lachen, als sie sich daran erinnerte.
Da war auch so ein grosser schwarzer Baumstumpf gewesen, auf einer über
und über mit Weidenröschen, die man hier 'Fireweed' nannte, bewachsenen
Lichtung am Hang. Ganz aufgeregt hatte sie ihren Vater gebeten, anzuhalten
und ein paar Meter zurückzufahren, damit sie den Bären fotografieren
konnte. An der bewußten Stelle hatte sie dann das Autofenster heruntergekurbelt,
ihren Fotoapparat hochgerissen und wie verrückt geknipst. Bis ihre Eltern
und Geschwister sich vor Lachen ausschütteten und sie dann endlich merkte,
was sie da vor die Linse gekriegt hatte.
Andrea kehrte mit ihren Gedanken
wieder in die Gegenwart zurück. Schnuppernd zog sie die Luft ein. Täuschte
sie sich, oder war der Brandgeruch jetzt stärker geworden?
Zum x-ten Mal wischte sie sich
mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Selbst über
dem See, wo normalerweise immer ein frischer Wind ging, hing die Hitze heute
wie eine schwere dicke Decke, unter der man kaum mehr Luft bekam. Nie im Leben
hätte sie gedacht, dass es in Kanada so heiss sein konnte! Hatte es nicht
immer geheissen, dass es dort ziemlich kalt war, mit kurzen Sommern und viel
Schnee im Winter? Na, ganz bestimmt nicht hier im Süden British Columbias!
Wie die Winter hier waren wusste sie zwar noch nicht, weil sie noch keinen
erlebt hatte, doch dieser heisse trockene Sommer hatte es jedenfalls in sich.
Da hätten sie ja gleich nach Australien auswandern können, wie es
anfangs im Gespräch gewesen war. Doch sie hatten sich für Kanada
entschieden, weil Mama das heisse Klima nicht vertrug.
Und nun das!
Ansonsten wollte sie sich jedoch
nicht beschweren. Ganz im Gegenteil! Andrea liebte dieses Stückchen Land,
das nun ihnen gehörte schon so, als hätte sie die ganzen fünfzehn
Jahre ihres Lebens hier verbracht. Wie vertraut ihr das alles in der kurzen
Zeit geworden war! Dabei waren sie erst vor knapp zwei Monaten nach Eagle
Creek am Arrow Lake gekommen. Doch es war ihr schon richtig zur neuen Heimat
geworden.
Vor allem der Strand war Andreas
auserkorener Lieblingsplatz. Hier konnte sie stundenlang sitzen und vor sich
hinträumen – wenn es nicht jeden Tag eine Menge zu tun gäbe. Natürlich
erwarteten die Eltern auch von ihr, dass sie nach Kräften beim Aufbau
der neuen Farm mithalf. Sie tat es auch gern und war mit Eifer bei der Sache.
Immerhin war sie diejenige gewesen, die am meisten darauf gedrängt hatte,
dass die Auswanderungsidee so bald wie möglich in die Tat umgesetzt wurde.
Sehr lange hatte es dann auch
gar nicht gedauert, bis sie ihr Einreisevisum bekommen hatten. Innerhalb
von acht Monaten war alles über die Bühne gelaufen. Antragstellung,
Interview bei der kanadischen Botschaft in Bonn, dann die Einwanderungsgenehmigung,
der Verkauf ihres Hauses in Schwabach sowie der meisten Sachen, die sie besessen
hatten, Packen und Verschiffen der wichtigsten persönlichen Dinge, die
sie mitnehmen wollten, der tränenreiche Abschied von Oma und Opa, den
anderen Verwandten und allen Freunden, und schließlich der Flug nach
Vancouver, wo sie sich dann als erstes Dach über dem Kopf ein Wohnmobil
gekauft hatten. Mit diesem waren sie dann kreuz und quer durch British Columbia
gefahren, hatten nach hübsch gelegenen Farmen Ausschau gehalten, sich
über Arbeitsmöglichkeiten für Papa informiert, Verhandlungen
mit Maklern geführt, und so weiter. Bis sie dann am einsam gelegenen
Arrow Lake gelandet waren. Hier hatte es ihnen allen am besten gefallen. Sie
hatten sich ein zwanzig Hektar grosses Farmgrundstück am See gekauft,
und damit war ihre Auswanderungsträume Wirklichkeit geworden.
Andrea wollte sich schon in den
Arm kneifen und lachte dann über sich selbst. Wie oft hatte sie das schon
getan! Nein, es war kein Traum, aus dem sie irgendwann wieder erwachen und
sich zu Hause in Schwabach wiederfinden würde! Sie waren tatsächlich
in Kanada, in Eagle Creek am Arrow Lake, auf ihrer neuen Farm! Hier war von
nun an ihr Zuhause.
Mit grossem Eifer war die Familie
Hartmann nun dabei, das alte Farmhaus zu renovieren, den Garten neu anzulegen
und Ställe zu bauen für die Tiere, die sie sich zulegen wollten.
Die Hühner hatten sie bereits beim Hauskauf vom Vorbesitzer mit übernommen,
ebenso den dicken frechen Kater Mickey. Nun wollten sie sich noch ein oder
zwei Hunde zulegen, und natürlich Pferde. Mama wollte eine Ziege für
die Milch haben, doch von dieser Idee hatten die restlichen Familienmitglieder
sich wenig begeistert gezeigt. Ziegenmilch, igitt! Ob sie nun gesund war oder
nicht.
Von morgens bis abends werkelten
die Hartmanns auf ihrer neuen Farm herum und fielen am Abend todmüde
in die Betten. Es machte ihnen grossen Spaß, sich das alles mit eigenen
Händen selbst zu schaffen. Sogar Holger, Andreas Zwillingsbruder, der
seit jenem schrecklichen Unfall vor drei Jahren querschnittsgelähmt war
und sich nur im Rollstuhl fortbewegen konnte, half mit, so gut er es vermochte.
Nur ihre kleine Schwester Nicole war faul und drückte sich gern vor der
Arbeit.
Das Farmhaus und die Nebengebäude
konnte man unten vom Dock aus nicht sehen. Nur entferntes Hämmern war
zu hören. Einen momentlang verspürte Andrea ein schlechtes Gewissen,
weil sie Michael die Arbeit allein machen ließ. Doch dann fand sie,
dass sie sich eine Pause redlich verdient hatte. Immerhin war sie schon um
sechs Uhr auf den Beinen gewesen und hatte im Garten Unkraut gerupft, während
ihre Geschwister und ihr Vater noch in den Federn gelegen hatten. Nur Mama
war schon aufgewesen und hatte auf der Veranda bei einer Tasse Kaffee englische
Vokabeln gebüffelt.
Andrea stöhnte und wischte
sich abermals über die Stirn. Wenn es nur nicht so irre heiß wäre!
Kein Lüftchen regte sich,
die Wasseroberfläche des Arrow Lake war spiegelglatt und unbewegt. Dann
nahm Andrea aus den Augenwinkeln heraus eine Bewegung wahr.
Sie beobachtete einen Fischadler,
der über dem See kreiste und dabei immer tiefer ging. Dann stach er gezielt
ins Wasser und holte einen Fisch heraus. Die Bewegungen des Adlers waren träge,
als wäre es auch ihm zu heiß. Trotzdem hatte er die Beute erwischt.
Doch auch der Fisch zappelte nur leicht. Wahrscheinlich war ihm das Wasser
zu warm. Wer hatte bei dieser Hitze auch noch viel Energie?
Ich werde auch mal ins Wasser
stechen, dachte Andrea bei sich. Sie sprang vom Dock auf und zog sich das
farbverkleckste T-shirt, das sie über ihrem gelben Bikini trug, über
den Kopf. Dabei bemerkte sie, dass auch ihre Haare mit Farbspritzern verklebt
waren. Notdürftig zupfte sie die Farbkrusten aus ihren braunen Locken.
Autsch, das ziepte!
Mit einem Anlauf sprang sie dann
ins Wasser. Ah, das tat gut! Zwar war auch der sonst recht kalte Arrow Lake
bei dieser Hitze zu einer lauwarmen Brühe geworden, doch er bot trotzdem
noch einigermaßen Erfrischung.
Träge schwamm Andrea um
das Dock herum zur Weide und dann zu dem Felsvorsprung, der den kleinen Strand
im Norden vor Blicken schützte. Im Süden dagegen konnte man kilometerweit
den See hinunterschauen, ohne dass Häuser, Straßen und Autos die
Sicht gestört hätten. Nichts als Wasser und bewaldete Hügel
waren zu sehen, und die schneebedeckten Dreitausender im Hintergrund. Und
– leider auch – die Rauchschwaden der Waldbrände, die einmal dünn
und träge dahinzogen, dann wieder dick und schwarz und drohend aufwallten.
Andrea schwamm auf dem Rücken
und schloss die Augen gegen die Sonne. Abgesehen von den bedrohlichen Feuern
war es wirklich ein schönes Fleckchen Erde, das sie sich da ausgesucht
hatten. Allerdings war es auch ganz schön einsam hier, vor allem für
jemand, der aus einem so dicht besiedelten Land wie Deutschland kam.
Das Brummen eines Flugzeugmotors
ließ Andrea wieder aufblicken. Da kam er wieder, der Wasserbomber! Er
tauchte kurz in den See ein und drehte dann mit seiner Ladung wieder in Richtung
der Rauchschwaden ab. Er kam in regelmäßigen Abständen, wie
Andrea und ihre Familie schon seit Tagen beobachtet hatten. Nur gut, dass
der grosse Arrow Lake zwischen den Waldbränden und ihrer Farm lag! Leider
war der See mehr lang als breit, nämlich über zweihundert Kilometer,
aber im Eagle Creek Valley keine zwei Kilometer breit. Andrea wünschte,
es wäre umgekehrt der Fall.
Doch da waren auch noch die anderen
Waldbrände. Das riesige Feuer im Süden war die größte
Bedrohung für die Bewohner von Eagle Creek und seiner Umgebung. Würde
man es unter Kontrolle bekommen, bevor es die Farmen erreichte?
Wieder spürte Andrea diese
dumpfe Furcht in sich aufsteigen. Was war, wenn niemand das Feuer aufhalten
konnte?
Nein, es durfte einfach nicht
passieren, dass sie ihre neue Farm nach so kurzer Zeit schon wieder verloren!
Sie hatten in Deutschland alles dafür aufgegeben, um sich in British
Columbia eine neue Heimat aufzubauen. Das durfte nicht alles den Waldbränden
zum Opfer fallen.
Sie werden es in den Griff bekommen,
versuchte Andrea sich Mut zu machen. Sie haben das Fosthall-Feuer unter Kontrolle
gekriegt, das Goat Mountain-Feuer und das Caribou Creek-Feuer, und wie man
sie alle genannt hatte, die Waldbrände, die in den letzten Wochen hier
ausgebrochen waren.
Die Rauchentwicklung und der
Brandgeruch wurden wieder stärker. Mit einem mulmigen Gefühl blickte
Andrea auf die Qualmwolken, die sich jetzt wie drohende schwarze Ungeheuer
über den Bergrücken herabwälzten. Wenn das Feuer sich nun über
die gesamte Bergseite ausbreitete? Dann würden sie es hier vor Qualm
nicht mehr aushalten können, auch wenn der See dazwischen lag. Gestern
war in den Nachrichten sogar die Rede davon gewesen, dass Eagle Creek und
die umliegenden Farmen möglicherweise evakuiert werden mussten. Doch
was dann? Sollten sie ihre neue Farm einfach im Stich lassen?
Nein, niemals im Leben! Das kam
gar nicht in Frage. Entschlossen reckte Andrea das Kinn vor. Sie würde
vor dem Feuer ganz bestimmt nicht davonlaufen. Sie würde kämpfen,
und ihre Eltern und Geschwister ebenso.
Sie dachte an ihre Mutter und
ihren Vater und an Nicole, die heute nach Vernon gefahren waren, um Lebensmittel
und andere Dinge einzukaufen. Wenn sie zurückkamen würde es neue
Arbeit geben. Denn Mama hatte vor allem einige Kisten Obst zum Einwecken und
zum Marmelade kochen kaufen wollen.
Ob Nicole wieder etwas Neues
bekam? dachte Andrea mit plötzlichem Missmut. Bestimmt! Sie bekam ja
immer, was sie wollte, oder zumindest meistens. Andrea fand, dass ihre kleine
Schwester zu sehr verwöhnt wurde und zu wenig dafür tun musste.
Als sie, Andrea, elf gewesen war, hatte sie zu Hause schon ordentlich mit
zupacken müssen. Und sie hatte nicht bei jeder Gelegenheit ein Mitbringsel
oder Geschenk bekommen!
Andrea musste husten, so stark
war jetzt der Rauch, der zu ihr herüberwehte. Sie schämte sich ein
wenig ihrer Gedanken. Als ob sie im Moment nicht andere Sorgen hätte
als die Frage, ob Nicole in Vernon etwas Neues bekam!
Sie begann, sich Sorgen um die
Eltern und die kleine Schwester zu machen. Der Weg ins Okanagan Valley war
weit. Über hundert Kilometer ging es über den einsamen Monashee
Pass, bevor man auf der anderen Seite des Bergzuges die nächste Ortschaft
erreichte. Hatten sie nicht auch dort Waldbrände gemeldet?
Ein neues Geräusch weckte
Andreas Aufmerksamkeit. Es war das Tuckern eines Bootsmotors. Neugierig reckte
sie den Hals. Wer mochte da vorbeikommen? Ein Angler aus der Gegend?
Nein, nicht mitten am Tag, nicht
bei dieser Hitze, sagte sie sich dann. Sie hatte gelernt, dass die Fische
nicht bissen, wenn es so heiss war. Da verkrochen sie sich in den kühlen
Tiefen, in Felslöchern oder in den Wurzeln der alten Baumstümpfe
auf dem Grund des Sees. Diese konnte man an seichteren Stellen durch das Wasser
schimmern sehen, ebenso die Fundamente und andere Überreste alter Häuser,
die hier einmal gestanden hatten. Denn der Arrow Lake war ein künstlich
angelegter riesiger Stausee und Eagle Creek ein Ort, der nach der Flutung
an anderer Stelle wieder neu aufgebaut worden war. Viele waren jedoch weggezogen
und hatten sich mit dem Geld, das sie von der Stromgesellschaft bekommen hatten,
anderswo niedergelassen. So hatte das Eagle Creek Valley heute wesentlich
weniger Bewohner als damals vor zwanzig Jahren.
Vielleicht gehört das Motorboot
Fremden, die sich nach Eagle Creek verirrt hatten, überlegte Andrea weiter,
als das Geräusch näher kam. Ihre Freundin Tracy hatte gesagt, dass
im letzten Sommer deutsche Touristen hiergewesen waren, die sich verfahren
hatten. Genauso war es auch ihnen vor ein paar Monaten ergangen. Auch sie
waren nur deshalb in Eagle Creek gelandet, weil Papa irgendwo die falsche
Abzweigung genommen hatte. Sonst würden sie jetzt auf einer Farm in Nakusp
oder Nelson oder sonstwo in den Kootenays leben. Oder vielleicht auch im Okanagan
Valley.
Das Tuckern war jetzt ganz nah.
Andrea watete an Land und setzte sich wieder aufs Dock, gespannt darauf, was
sich im nächsten Moment ereignen würde.
Außer bei Amazon kann der erste Band auch über jede Buchhandlung, BoL oder direkt bei Libri bestellt werden.

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Natürlich würde mich jetzt noch interessieren, wie ihr das alles bisher so findet. Deshalb würde ich mich über eure Kommentare per E-mail oder einen Eintrag ins Gästebuch sehr freuen.
Und schaut wieder mal auf meiner Site vorbei, denn dort wird es nun immer wieder etwas Neues geben.
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