Volker Rau

 

Geschichten vom Hosenfetz


 
An einem warmen Sommermorgen hatte Frau Möhre die Idee, mit ihren zwei Kindern, Rübchen und Möhrchen, einen Ausflug ins Möhrental zu machen.

Darüber freuten sich die Kinder so sehr, dass sie Arm in Arm um den Tisch herumtanzten. Herr Möhre konnte sie leider nicht begleiten, da er sich um die Tiere und die Feldarbeit kümmern musste.

Schnell war der Frühstückstisch gedeckt. "Wandern ist anstrengend", sagte Frau Möhre und so stärkten sie sich mit sieben Butterbroten, einer halben Salami und zwei Litern Milch. Hm, das war lecker!

Satt und froh gelaunt gings los.

Ungefähr nach einer halben Stunde erreichten sie ein kleines Waldstück, in dem Frau Möhre erst vor kurzem Herrn Specht bei der Arbeit beobachtet hatte.

Rübchen und Möhrchen waren ganz leise, weil sie das Klopfen von Herrn Specht hören wollten.

Es war ganz still!

Plötzlich hörten sie, wie jemand ganz arg weinte.

Mutig kletterte Rübchen durchs Gebüsch, um nachzusehen, was da los war. Frau Möhre nahm Möhrchen auf den Arm und kletterte hinterher.

Unter Blättern versteckt fanden sie Frau Tomate. Sie weinte ganz bitterlich, weil sie ihre schöne, rote Farbe verloren hatte. „Nun wein`doch nicht, Frau Tomate“, sagte Möhrchen ganz lieb. „Der Hosenfetz hat bestimmt eine tolle Idee, wie wir dir helfen können“.

„Aber wie soll er denn erfahren, was mit mir geschehen ist ? Der Weg zu ihm ist doch viel zu weit!“, schluchzte Frau Tomate.

Herr Specht saß gerade an einem Baum ganz in der Nähe. Er hatte alles ganz genau gehört ! Schnell flog er zu Frau Tomate hinunter.

„Ich kenne den Weg und könnte einfach hinfliegen, um ihm alles zu erzählen“, krächzte er.

„O.K., Problem gelöst ! “, rief Möhrchen, „nun flieg endlich los, damit du zurück bist, bevor es dunkel wird.“ „Bin schon unterwegs“, trommelte Herr Specht, der bereits mit weit ausgebreiteten Flügeln auf seine Starterlaubnis wartete.

Herr Specht flog so schnell, wie noch niemals zuvor. Er war sogar so schnell, dass er beinahe mit einem Sonnenstrahl zusammengestoßen wäre.

„Donnerwetter“, rief der Sonnenstrahl, „du bist ja ein toller Flieger. Warum hast du es denn so eilig?“

„Ich muss ganz dringend zum Hosenfetz, Frau Tomate hat ihre schöne rote Farbe verloren. Nur er kann ihr helfen, sie wiederzufinden“, keuchte Herr Specht. „War nett mit dir zu plaudern, aber jetzt muss ich weiter, denn vor Sonnenuntergang werde ich zurückerwartet.“

„Selbst bei deinem Tempo schaffst du das nie und nimmer“, lachte der Sonnenstrahl . „Setz`dich doch einfach auf mich drauf und rutsch zum Hosenfetz runter!“

„Tolle Idee, ganz tolle Idee“, stotterte der mittlerweile völlig erschöpfte Herr Specht. Schwuppdiwupp, gesagt, getan ! Innerhalb von Sekunden landete er vor der Haustür vom Hosenfetz .

„Hallo Hosenfetz! Woher hast du gewusst, dass ich komme ?“

„Grüß Gott, lieber Herr Specht! Der Sonnenstrahl war etwas eher da und hat mir schon alles erzählt. Jetzt komm`, wir müssen los! Ich hab’ eine tolle Idee, wie wir Frau Tomate helfen können. Sonnenstrahl, bring` uns schnell zu Frau Sonne, ich möchte sie um Hilfe bitten!“

Schwuppdiwuppdibabbeldibupp, gesagt, getan.

Nur einen Augenblick später standen die beiden im Garten von Frau Sonne.

„Hallo Hosenfetz, hallo Herr Specht ,welche Freude euch wiederzusehen“, rief Frau Sonne, während sie ihre Blumen wässerte.

„Grüß Gott, liebe Frau Sonne. Dein Garten ist einfach der Schönste auf der ganzen Welt!“

„Es freut mich, dass er euch gefällt“, strahlte Frau Sonne. “Mein Sonnenstrahl hat mir gerade erzählt, dass ihr ein großes Problem habt“.

„Wie kann ich euch helfen ?“

„Frau Tomate hat ihre schöne, rote Farbe verloren“, erklärte der Hosenfetz. „Sie ist darüber sehr traurig und versteckt sich im Wald unter Blättern. Kannst du nicht einen ganz, ganz großen Sonnenstrahl zu ihr schicken??? Auf den könnten wir sie dann draufsetzen. Du ziehst ihn wieder ein und holst Frau Tomate zu dir in deinen Garten. Dort ist es immer sonnig und warm.“

„Bei dir, liebe Frau Sonne, wird es Frau Tomate besonders gut haben und bald ihre schöne, rote Farbe wiederbekommen“, fügte Herr Specht hinzu.

Frau Sonne fand diese Idee ganz prima und schickte Herrn Specht und den Hosenfetz auf einem ganz, ganz großen Sonnenstrahl wieder hinunter in den Wald.

Schnell wie der Blitz waren sie da!

Gemeinsam setzten sie Frau Tomate vorsichtig auf den Sonnenstrahl. Und Schwuppdiwuppdibabbeldibupp, gesagt, getan, zog Frau Sonne, wie versprochen, ihren Strahl wieder ein.

Wohlbehalten landete Frau Tomate im Garten von Frau Sonne und bekam bald ihre wunderschöne, rote Farbe zurück.

Sie fühlte sich so wohl, dass sie für immer dort bleiben wollte.

Frau Sonne hegte und pflegte sie ganz liebevoll, und daher war es auch kein Wunder, dass sie immer größer und schöner wurde.

Seitdem können wir Frau Tomate immer dann bewundern, wenn sie mit Frau Sonne morgens aufsteht und abends zu Bett geht.

©Volker Rau

Geschichten vom Hosenfetz
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